![]() ISBN 978-3-940640-01-7 |
Abendmahl reloaded |
Das Dunkle der menschlichen Seele findet sich in Meyers Gedichten wieder. Lyrik,
die die Ausweglosigkeit und Perversion der Gesellschaft wiedergibt. Dabei geht
es um die Zerstörung der Kultur durch den Kommerz, den rasanten Zeitgeist
und das fortwährende Ausbrechen aus der Normalität, in der manisch
nach immer neuen Extremen gesucht wird. Meyer sieht mit seinen Gedichten die
Welt in bestimmter Weise wie einst die Expressionisten die aufkommende Moderne,
und den Moloch Großstadt, in dem die einzelne Seele unterzugehen droht.
(Hanauer Anzeiger)
Meyer lächelt uns in seinen Gedichten bisweilen an, doch nur scheinbar, denn plötzlich werden die Wolfszähne sichtbar und zerreißen das, was kurz zuvor noch Wirklichkeit war. Dass diese Wirklichkeit jedoch nur Schein ist, die bloße Oberfläche des Seins, wird schnell sichtbar. Eiskalt entlarvt Meyer die zwischenmenschliche Lüge, die bis ans Totenbett reicht. So wird der Schein einer zivilisierten Welt bis zum bitteren Ende gewahrt. Gestalten, die sich am Rande der ganz normalen Gesellschaft bewegen, bevölkern die Gedichte. Und Meyer findet Worte für sie, zu Zeiten banal, dann wieder hoch poetisch. Doch hinter jeder Zeile lauert das Verderben, der Umsturz gewohnter Werte oder auch der Tod. Zweifeln scheint die Devise zu sein. Zweifeln an der scheinbar so unbesorgten Wirklichkeit unseres Alltags. Denn nimmt man die Dinge nicht einfach so hin, wie sie sind, dann versteht man plötzlich vieles nicht mehr. Wer nicht untergehen will in Strömungen, dem sei empfohlen in die Tiefen seiner Lektüren einzutauchen, um den ursprünglichen Strudel des Lebens zu finden, der kämpferische Energie freisetzt, die in der heutigen Zeit leerer Worte und puren Scheins sicher nicht ungelegen kommen wird. (Susanne de la Fuente)
Eigenwillig sind sie, die Gedichte von Gerald Meyer. Seine lakonische Sprache und scheinbar wie achtlos dahingeworfene Satzfetzen beleuchten zerstörte Seelenlandschaften. Die patriarchische Ordnung der gesitteten Normale gibt es in diesen Texten nicht mehr. Dem Autor gelingt es vorzüglich, den Anschein und die hohlen Gesten unseres Zusammenlebens ohne Skrupel ans Tageslicht zu katapultieren. Seine Gestalten, oft "innerlich gebrochene Typen", die mit der Verderbtheit Tür an Tür leben, verbreiten nicht selten Untergangsstimmung. Meyer experimentiert mit Genres wie ein illusionsloser Weltendeuter, zieht nicht erprobte Register des Daseins, fasziniert von der freien Lebensweise der sogenannten Outlaws, die sich in der Welt durchschlagen und so ihren Platz behaupten. (Werner Schmid)
Die Texte lassen sich kaum beschreiben, sie sind so eigenartig - hier spricht einer in Wortkombinationen, die schlichtweg den Atem rauben. Selten liest man bei Autoren dieser Generation solche Lyrik - es lässt sich beliebig zitieren etwa: "Bleichgewaltig / aufgeladen / den Venusgürtel eng / ums Haupt / geschnallt / schreitet geweiht / die Furcht vorm Nächsten / einher / Der Papst im Kettenhemd / hetzt die Hunde." Das ist wunderbar surrealistisch-schnoddrig, mit quasi contra-intellektueller Attitüde ins Eingemachte gestochen, ohne Respekt, aber mit progressiver Sensibilität - was sollte man noch mehr von zeitgenössischer Lyrik verlangen?! Ein Muß für jeden Interessenten an der Sublit-Szene! (KULT)
Wie durch ein Bullauge betrachtet der Dichter die Zivilisation und ihre viel
gepriesenen Errungenschaften zwischen Neonreklame und Sterilität. In phantastischen
Wahn, in Blutrausch und Narreteien mündet das stark reglementierte Leben
moderner Menschen.
Gerald Meyers düstere Visionen manifestieren sich in provozierenden reimlosen
Gedichten. In absurden, mit hintergründigem Horror durchsetzten Szenerien,
beschwört der Autor intensive Weltuntergangsstimmungen herauf. So gerät
der Leser in eine utopische Welt des Grauens, die bei näherer Betrachtung
erschreckend realistische Züge aufweist. Gerald Meyers "neue Tage"
sehen anders aus, als die vieler - aber sie sind deutlich und aufrüttelnd
und daher nachhaltiger. "Baue dir dein Kartenhaus in deiner größten
Not und verkrieche dich darin.", rät der Autor.
Ich habe einen bessern Vorschlag parat: Kaufen Sie diesen Lyrikband! Gerald
Meyer ist der Schütze, seine Worte, die Kugeln - die treffen! (Alisha Bionda)
Warum morgen die Sonne wieder aufgeht
über Schlachtfeldern,
die wir schmerzhaft geboren haben
Wahnsinn kalt und alt
zu rotem Honigsaft vergoren
Warum morgen die Weißglut
trostlose Herzen und Städte verbrennt
der Geruch des Todes in der Luft gefriert
ein gelifteter Leichnam Erinnerung gebiert
und Luftikusse hauchdünne Fäden ziehen
Warum morgen wieder die Nacht hereinbricht
in der wir uns in den Bunkern verstecken
und am Schicksal schmauchen
wie an einem geladenen Colt
nur von ein wenig Werbung unterbrochen
Warum morgen mit einem Bombenhagel
zu rechnen ist, nach dem du die Zukunft
aus deinen eigenen Gedärmen lesen kannst
Blutverschmiert und winselnd, wimmernd -
Torero auf einer desinfizierten Trage aus Kunststoff
Warum du morgen in einem Sarg aus
Stacheldraht die Allee hinunter getragen wirst
und knallbunte Männchen an deinem Grab
mit einer Erektion salutieren
Tod eingefroren in Flimmer-Arabesken
aus Plastik
Warum uns morgen der Tag und die Nacht
nur wenige Sekunden von der Ewigkeit
trennen werden und alles so aussieht, als hätten wir endgültig gesiegt,
wir die Unsterblichkeit fokussieren
im Bildformat 16:9
Warum morgen ein monströser Blues
durch unsere gespaltenen Schädel zieht und
rotbefleckte Noten im öden Sturmwind
dahinziehen zum nächsten Wahnsinn
und Felssirenen die nächste Drohnenflut
ankündigen
Fragt doch die Sterne
aber nicht mich
Wie Tiere in einer Höhle
drängen wir uns gegenseitig
in die Ecke
oder in einen Pferch
oder ein Behältnis
mit glatten Wänden
Wir bringen uns um
unser letztes bisschen Verstand
Vielleicht mehr
vielleicht auch weniger
ein Zwang ersetzt den nächsten
Unsere Vernunft - nichts weiter
als eine große Tragödie
Unsere Einsicht - nichts weiter
als ein missverstandener Grunzer
in der Urzeit
Würde - ein Faktotum stummer Propheten
die es nicht eilig haben zu sterben
Dreh dich zufrieden auf die andere Seite
und denke nicht darüber nach
was vor deinem Fenster geschieht
Vielleicht schon wieder ein Mord
vielleicht aber auch nur
der Schrei auf einem Tonband
Die ganz Ängstlichen können ja vorspulen
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